Der internationale Mülltourismus blüht. Kommt indischer Müll aus Bhopal auf den Ihlenberg?

SvD/ Juli 2, 2012/ Allgemeines/ 2Kommentare

1984 ereignete sich der mit größte Umweltskandal in Bhopal Indien. Bei einer Explosion in einer Pestizidfabrik des amerikanischen Chemieriesen Union Carbide Corporation entwichen zwischen 25 und 40 Tonnen Methylisocyanat sowie andere Reaktionsprodukte (vor allem Dimethylamin, 1,3,5-Trimethylisocyanurat, 1,3-Dimethylisocyanurat) durch die Überdruckventile in die Atmosphäre. Der gesamte Tankinhalt verflüchtigte sich in weniger als zwei Stunden.

Die Opferzahlen reichen von 3.800 bis 25.000 Toten durch direkten Kontakt mit der Gaswolke sowie bis zu 500.000 Verletzten, die mitunter bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden. Eine vernünftige Sanierung des Geländes fand bis heute nicht statt. (Quelle Wikipedia)

Fotograph Julian Nitzsche Lizenz Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported lizenziert.

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Am 24.5.2012 wurde in der Tagesschau berichtet, dass die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), deren Gesellschafter das Entwicklungshilfeministerium und das Finanzministerium sind, Indien helfen und zunächst 350 Tonnen Giftmülls in Deutschland entsorgen möchte.

Die Zusammensetzung des Mülls ist nicht offengelegt worden. Die Erklärungen gehen von „Sie müssen eine Reihe von Vorkehrungen treffen. Dazu gehören Schutzmaßnahmen. Auch für die Personen, die entsorgen: Masken und schwere Schutzanzüge sind unerlässlich, wenn man sich in eine hochgiftige Umgebung begibt. Die Chemikalien dort könnten schon nach Sekunden den Tod zur Folge haben.“ (indischer Umweltexperte Bidwai Tagesschau 24.5.2012) bis zu „“Chemische Analysen hätten ergeben, dass das Material, das entsorgt werden solle, nur «leicht kontaminiert» sei. sagte Hans-Hermann Dube von der GIZ in Indien der Deutschen Presse-Agentur dpa. Es seien keinerlei Giftstoffe enthalten, an denen bei der Industriekatastrophe in Bhopal 1984 tausende Menschen starben.“ Der zuständige indische Minister sagte in der indischen Presse, dass der Müll nach Hamburg geflogen werden solle und von da aus in geeignete Abfallbehandlungsanlagen verbracht werde. Auch Berichte, dass der Müll per Schiff nach Deutschland kommen solle, wurden veröffentlicht. In einer Aussage stand, dass Teile des Giftmülls auf die Deponie Ihlenberg kommen könnten.

Wenn aber der Müll gar nicht schwer kontaminiert ist, warum dann keine Entsorgung in Indien?

In Indien gibt es offenbar Sondermüllverbrennungsanlagen, die nach Betreiberangaben höchsten Anforderungen entsprechen. Näheres gibt es dazu hier:
Dort ist zu lesen:
„Ramky is presently operating India’s largest hazardous waste incinerator at Taloja, a facility on par with the world’s best incinerators with minimum emissions. The technology rights for the incinerator have been obtained from Alstom-Raymond Air Pre-heater Company, USA.“
Es gibt in Indien sicherlich sehr viele sehr arme Menschen, auf der anderen Seite ist Indien die führende IT Nation.(und Atomwaffen Langstreckenraketen Satelliten kein Problem und laut der Unternehmensberatung McKinsey verfügt Indien über insgesamt 14 Millionen junge Universitätsabsolventen aller Fachrichtungen mit bis zu sieben Jahren Berufserfahrung. Indien bildet, so der langjährige Spiegel-Redakteur Olaf Ihlau, pro Jahr 500.000 Informatiker, Techniker und Ingenieure aus, Deutschland gerade einmal 40.000. Die Zahl der indischen Studenten liegt bei rund neun Millionen. Quelle Wikipedia)

Es ist schon lange bekannt, dass deutsche Müllentsorgungsanlagen regelmäßig mit ausländischem Müll versorgt werden. Dazu zählen neben der Deponie Ihlenberg / vormals VEB Deponie Schönberg, die ja regelmäßig mit ausländischem Giftmüll befüllt wird, auch die verschiedenen Müllverbrennungsanlagen in Deutschland.

Und auch die oben erwähnte GIZ mischt im Mülltourismus heftig mit. So war sie daran beteiligt, als 2008 hochgefährlicher Müll aus dem „armen“ Australien kommen sollte (was aber gegen das Baseler Abkommen verstieß, das Giftmülltourismus nur in Ausnahmefällen zulässt)

Begründet wird dies oft mit irgendwelchen Hilfeersuchen aus den entsprechenden Ländern, die allesamt nicht in der Lage sind, diesen gefährlichen Müll zu entsorgen.
Doch aus unserer Sicht stehen in erster Linie knallharte Geschäfte dahinter.

In den 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde nämlich die Genehmigungsgesetzgebung für solche Anlagen verändert. Musste vorher der Bedarf für eine Müllverbrennungsanlage vor der Genehmigung nachgewiesen werden, fiel diese Voraussetzung weg. Damit war der Weg offen für den profitablen internationalen Mülltourismus. Dazu kam das Image „made in Germany“, das höchste Umweltstandards suggerierte, was in vielen Fällen nicht stimmte. Bei der Auslegung der Filtertechnik und gesamten Entsorgungstechnik wurde nicht der Stand der Technik umgesetzt, sondern es wurden gerade die Grenzwerte eingehalten, die der Gesetzgeber vor schrieb.  Und es gibt bei allen Anlagen regelmäßige Störfälle wie Brände u.v.a.m., die zu erhöhten Emissionen und Belastung von Mensch und Umwelt führen.

Oftmals wurden die belastenden Anlagen auch in Gegenden gebaut, wo wenig Widerstand zu erwarten war, in sozial „einfachen“ Stadtteilen, in denen ohnehin eine hohe Belastung mit Industrie vorherrschte oder auch in ländlichen Gegenden, wo die Population so gering ist, dass Auffälligkeiten bei Krankheiten nie eine Signifikanz erreichen, weil die Fallzahlen zu gering sind.

So gibt es z. B. eine Studie von Greenpeace, die eine erhöhte Krebsrate im Umfeld von Müllverbrennungsanlagen nachweist. Allein auf Grund der Initiative der BI Stoppt die Deponie Schönberg e.V. wurde nach jahrelangem zähen Kampf eine epidemiologische Studie für die Mitarbeiter der Deponie Ihlenberg durchgeführt wurde, die im Ergebnis ein 80%ig erhöhtes Krebsrisiko feststellte.

Es findet eine Verlagerung der Risiken statt, denn ein Nullrisiko gibt es nicht, weder beim Transport noch bei der Entsorgung.

Was bewirkt also eine solche Hilfe?

Sie verhindert eine nachhaltige Lösung vor Ort! In einem Land wie z.B. Indien werden moderne Entsorgungsanlagen dringend benötigt. Warum findet nicht ein Technologietransfer statt. Warum wurden nicht schon längst mit deutscher Hilfe Anlagen in Indien modernisiert oder gebaut?

Wir ahnen es: was ist dann mit den deutschen Anlagen? Nicht ausgelastet, nicht profitabel?

Und dies gilt nicht nur für Indien, sondern für alle Staaten und Ländern, denen so „billige“ Entsorgungsmöglichkeiten (wir erinnern uns: die Entsorgung einer Tonne Asbest aus Wunstorf Luhte kostete auf der Deponie Ihlenberg gerade einmal ca.25 Euro inkl.19% Mwst.) geboten werden, dass ein Transport über tausende Kilometer, ja rund um die Welt kostengünstiger ist, als ein vernünftiger Umgang (Vermeidung- Recycling- Entsorgung) mit dem Abfall vor Ort.

Dies ist für uns nichts als scheinheilig und es geht nur ums Geld!

Um eines deutlich zu machen: sollte etwas an den Gerüchten stimmen, dass Müll aus Bhopal auf die Deponie Ihlenberg soll, dann waren die Proteste gegen Asbest nichts als ein kleiner Vorgeschmack auf den Widerstand, der dann durch das Gesundheits- und Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern geht!

Es sind auch andere Menschen besorgt und aufgebracht angesichts des blühenden Giftmülltourismus. Es ist interessant, dass nachdenkliche vernünftige Menschen doch zur gleichen Eintschätzung kommen:

Pro Herten: Sondermüllentsorgung „Notwendigkeit oder lukratives Geschäft“ ?

Nachtrag:

in diesem englischen Spiegelbeitrag steht über die Zusammensetzung:
“enthält noch “problematische Rückstände” von Chlor, Quecksilber und Schwermetallen.”

Wir möchten dies schon noch genauer wissen. Außerdem wird jetzt von europaweiten Ausschreibungen zur Entsorgung gesprochen. Wie kann ein Preis für die Entsorgung kalkuliert werden, wenn der Entsorgungsweg und die Art der Entsorgung noch gar nicht fesstehen?

Hier wird wohl wieder mit der bekannten Verneblungstaktik gearbeitet, um die Menschen vor Ort nicht in berechtigte Alarmstimmung zu versetzen. Dies ist genau das Gegenteil von Transparenz…

Interessant ist auch dieser Satz des zuständigen indischen Ministers im obigen Spiegelartikel:

Gaur would have preferred to dispose of the waste in India. „I’ve held that dirt in my own hands. The material lost its toxicity long ago,“ says the minister, downplaying the hazards. But all Indian states that were candidates for reprocessing went to court to fend off the toxic waste.

Die Menschen in Indien wollen den Müll nicht haben, es geht also nicht darum, dass sie ihn nicht entsorgen können!

 

2 Kommentare

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