NDR Beitrag „Wie krank macht die Deponie Ihlenberg?“

SvD/ September 9, 2013/ Allgemeines, Presse/ 0Kommentare

Am 8. August 2013 strahlte NDR info ein Interview mit dem Thema „Wie krank macht die Deponie Ihlenberg?“ aus.

Worum geht es in diesem Interview? Im Jahre 2006 wurde durch die Universität Greifswald (Prof.Dr.med. Wolfgang Hoffmann) eine epidemiologische Studie erstellt, die herausfinden sollte, ob es für die Mitarbeiter der Deponie Ihlenberg und die Anwohner ein erhöhtes Krebsrisiko gibt oder nicht. Vorausgegangen waren Recherchen unserer BI, die die Vermutung nahe legten, dass es etliche Mitarbeiter gab, die an Krebs erkrankt oder schon verstorben waren. (es sei nochmal angemerkt, dass auf der ersten stattgefundenen Beiratssitzung der Umweltbeirates der Deponie Ihlenberg im Jahr 2001 der damalige Geschäfstführer der IAG behauptete, es gäbe keinen einzigen Krebsfall unter seinen Mitarbeitern, der damalige Umweltminster teite später in einer PM  mit, dass das Risiko der Mitarbeiter, an Krebs zu erkranken, unter Druchschnitt läge, bevor die Untersuchung überhaupt stattgefunden hatte.)

Untersucht wurden dann nach strengen wissenschaftlichen Normen alle Mitarbeiter, die jemals auf der Deponie Ihlenberg zwischen 1984 und 2004 gearbeitet hatten.Dazu waren zahlreihe Befragungen verschiedender Institutionen notwendig: Melderegister, Krebsregister u.v.a.

Die Studie stellte im Ergebnis ein 80% erhöhtes Krebsrisiko für die Mitarbeiter fest, für die Anwohner wurde glücklicher Weise (noch) kein erhöhtes Risiko festgestellt.

Der Autor der Studie, Prof. Dr. Hoffmann, ist ein international hoch anerkannter Experte genau für diese Fragestellung, genoss beim Betreiber, der Landesregierung und den Kritikern der Deponie hohes Ansehen und seine Schlußfolgerungen wurden allseitig aktzeptiert. Klar waren sich alle Beteiligten, dass diese Studie solange fortgesetzt werden muss, bis das Risiko der Mitarbeiter auf einen „normalen“ Status verlässlich angekommen ist.

So wurde von der  Auftraggeberin der Studie , der GAA (Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Altlasten Mecklenburg-Vorpommern mbH) beschlossen und in einer Pressemitteilung 2009 letztmalig veröffentlicht, dass diese Studie weitergeführt werden soll.
Dennoch ist nichts mehr passiert, warum? Ergebnisse, zumal, wenn eine 80%tige Erhöhung dabei herauskommt, sind alles andere als beruhigend und vor allem schaden sie dem Image und stehen natürlich auch künftigen Vorhaben im Weg. Wie allgemeinwohlverträglich ist eine Anlage, wenn eine erhöhte Krebsrate existiert? Oder gibt es weitere Erkrankungen unter den Mitarbeitern und wird die Studie deshalb nicht fortgeführt, weil man Angst vor den Ergebnissen hat?
Oder liegt es an dem neuen Geschäftsführer bei der GAA , einen ehemaligen Geschäftsführer der Deponie? Vielleicht hatte man auch gehofft, das Thema würde sich von alleine erledigen. Doch 2 Dinge lassen sich nie langfristig unter den Teppich kehren: Vergiftungen der Umwelt und hier besonders des Wassers und gesundheitliche Folgen. Und somit hat der Beitrag des NDR offenbar einen so empfindlichen Nerv getroffen, dass die  IAG auf ihrer Internetseite einen Brief an den NDR veröffentlicht, in dem sie sich über die Berichterstattung beklagt. Solche Schreiben mag der NDR kennen und sicher auch richtig einzuordnen wissen.Nur der letzte Satz in diesem Brief offenbart genau das, was der NDR zurecht kritisch hinterfragt hatte: dort heißt es:
„Ach ja, Herr Vick zitierte den Autor der Studie, den Greifswalder Prof. Hoffmann, mit der Aussage „solange man ein erhöhtes Krebsrisiko messen kann,……… ist aus meiner Sicht ein Monitoring erforderlich„. Das wir ja tatsächlich betreiben!“ Quelle : IAG
Es findet zwar ein Biomonitoring der Mitarbeiter statt, dies aber durch den Betriebsarzt der IAG (dabei sollen mutmaßlich bei etlichen Mitrarbeitern erhöhte Cadmiumwerte im Blut festgestellt worden sein), dieses hat nichts, aber auch gar nichts mit einer epidemiologischen externen und unabhängigen Krebsuntersuchung und deren Zielstellung zu tun, bei der ja auch die ausgeschiedenen Mitarbeiter (durch Kündigung, Pensionierung ect) mit erfasst werden (müssen). Ein Biomonitoriung der Mitarbeiter ist eine sinnvolle Ergänzung zu einer epidemiologischen Untersuchung, kann sie aber in keinem Fall ersetzen.
Also ist diese Aussage entweder aus fachlicher Unkenntnis entstanden oder es wird eben wieder eine „Nebelkerze“ geworfen, um die Menschen zu verunsichern. Wer hier nicht mit Offenheit und Wahrheit spricht, verspielt Vertrauen!
Bedenklicher ist schon zu bewerten, dass von Amtsträgern im Landkreis die Wissenschaftlichkeit der Studie insgesamt angezweifelt wird. Dies allerdings wieder einmal von Personen, die medizinisch und epidemiologisch absolute Laien sind. Wer mehr zu dieser Studie wissen will, sollte mit dem Autor der Studie Prof. Hoffmann in Kontakt treten.
Wir werden entschieden dafür eintreten, dass diese Studie von Prof. Hoffmann weitergeführt wird, auch im Sinne der Beschäftigten, denn eine weiterhin und dauerhaft erhöhte Krebsrate hätte wohlmöglich auch Auswirkungen auf die Rentenansprüche der Betroffenen und Hinterbliebenen. Und es sei gerne nochmal angemerkt, dass die BI es war, die schon 2001 vom Land Mecklenburg- Vorpommern und der IAG forderte, für die Betroffenen einen Fonds zu bilden, um sie und ihre Angehörigen und Hinterbliebenen zu unterstützen, leider ohne Erfolg.
Als Abschluss noch eine Anmerkung:
Schon als 2008 die Ergebnisse der Studie veröffentlicht wurden, versuchte der damalige Staatssekretär des Wirtschaftsministerium, Zweifel an einem kausalen Zusammenhang zur Arbeit(der bis heute nicht untersucht ist) auf der Deponie zu säen: er zögerte in einem damaligen Interview nicht, private Lebensumstände der Mitarbeiter anzuführen und mutmaßte, man wisse ja nicht, was für einen Teppichkleber die Mitarbeiter zuhause verwenden würden.
Im obigen Interview wird nun auf die die Schutzkleidung verwiesen und auf der Besichtigung der Kreistages auf der Deponie im August 2013 soll die Bemerkung gefallen sein, die Mitarbeiter, die auf der Deponie arbeiten, würden ja eher einen ungesünderen Lebenswandel führen.
Solche Aussagen sind bzw. wären nicht nur unfair und unredlich, sondern es fände auch keine Würdigung der Menschen statt, die die giftigen Hinterlassenschaften unserer Wohlstandsgesellschaft nach den Bedingungen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden, seit 1979 vergraben, behandeln und beseitigen.  Dafür verdienen diese Menschen zunächst einmal Respekt.
Zum einen war der „persönliche Lebenswandel“ noch nie Gegenstand einer Untersuchung, alle Aussagen dazu sind also reine Spekulation und Ablenkung und zum anderen darf nicht vergessen werden, dass in einer Vielzahl von Müllanlieferungen krebserregende Substanzen enthalten sind.
Außerdem sind erst gerade Stoffe „neu“ entdeckt worden, die es vermutlich immer schon auf der Deponie gegeben hat:z.B. das radioaktive Tritium, das das Deponiegelände über das Wasser ungefiltert verlässt und vermutlich genauso im Deponiegas enthalten ist, dort aber nicht gemessen wird. Was mag es in diesem Müllberg, in dem pausenlos chemische Reaktionen ablaufen, noch an „neuen“ Stoffen geben, die einfach nicht gemessen werden, weil man sie gar nicht kennt?
Übrigens: im damaligen Arbeitskreis Gesundheit des Umweltbeirates der Deponie Ihlenberg wurde beschlossen, dass parallel zur epidemiologischen Krebsuntersuchung eine toxikologische Untersuchung durch die Universität Kiel (Dr. Hermann Kruse) durchgeführt werden sollte, die  mögliche Schadstoffpfade auf der Deponie untersuchen sollte. Diese Untersuchung wurde aber nicht durchgeführt, sondern später ohne Beteiligung des Beirates ein Bremer Institut beauftragt, arbeitsplatzspezifische toxikologische Untersuchungen vorzunehmen. Die Ergebnisse sollten schon vor 3 Jahren dem Beirat zugänglich gemacht werden, sind es bis heute aber nicht und angeblich ist die Studie immer noch nicht abgeschlossen. Diffuse Emissionen, die bei Deponien durchaus auftreten können, müssten allerdings ebenso toxikologisch untersucht werden, wie der Boden, Sedimente und die Pflanzen auf der Deponie und dem Umfeld, da diese auch ein „Langzeitgedächnis“ für Belastungen bilden und Rückschlüsse auf Gefährdungen zulassen.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*